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Gruppierungen

Über den Ausstieg

Gewaltbereiche, Gruppierungen und deren Vernetzung

Woraus man aussteigen kann:

 

Wenn ich über „das Aussteigen“ spreche, dann meine ich damit in der Regel
eine einzelne Person, die sich von einer gewaltbereiten Gruppierung löst und versucht, sich von Personen und Orten zu distanzieren, die erneute Gewalthandlungen mit sich bringen würden.

Diese Gruppierungen können z.B. Kinderporno- Ringe sein, Sekten, satanische Kulte, rechtsradikale Gruppen, linksradikale Gruppen, religiöse Gruppierungen oder auch weitere gewaltbereite Gruppierungen.

 

Doch woraus steigen Aussteiger konkret aus?

Und worauf ist bei so einem Ausstieg zu achten?
(aus Betroffenen- Sicht und aus Helfer- Sicht)

Um diese Fragen und um die Vernetzung von
kriminellen Bereichen und Gruppierungen
soll es im Folgenden gehen.

 

Die 3 Hauptbereiche:

Es gibt 3 Hauptbereiche, zu denen solche Gruppierungen zugeordnet werden können. Über diese Gewaltbereiche bescheid zu wissen und hier differenzieren zu können, kann Aussteigern, die noch relativ am Anfang ihres Ausstiegs stehen, dabei helfen herauszufinden, woraus sie überhaupt „raus“ wollen und um dann gezielter nach Hilfe suchen zu können.

Für Interessierte und Helfer können solche Einordnungen wichtig sein, um besser einschätzen zu können, womit sie es im Einzelfall zu tun haben und um sich weitere Informationen über eine bestimmte Gruppierung einholen zu können, damit sie dem Aussteiger noch effektiver helfen können.

 

Hauptbereiche

Kurze Erklärung zu meiner Einteilung in diese drei Hauptbereiche und
zu Begriffsentwicklungen

Die Aufteilung in diese 3 Hauptbereiche habe ich u.a. abgeleitet von der Definition von der Organisierten Kriminalität aus den „Richtlinien über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität“ (siehe Link „dip.21 bundestag.de), bei der „Terrorismus“ eindeutig von der Organisierten Gewalt ausgegrenzt wird. Die „Rituelle Gewalt“ wurde wiederum von diesen beiden Bereichen ausgegrenzt und muss gesondert aufgeführt werden. Da es aber Schnittstellen und fliessende Grenzen zwischen allen 3 Hauptbereichen gibt, halte ich persönlich eine strikte Trennung dieser Gewaltbereiche für unmöglich.

Der Bereich „Rituelle Gewalt“ wurde früher unter dem Oberbegriff „Sekten- und Psychogruppen“ eingeordnet (siehe Link Enquete- Kommission). Dieser Begriff wurde verändert und wird nun als „neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen“ benannt. (im Jahr 1998, siehe http://www.agpf.de/Enquete-Kommission.htm) So könnte man die 3 Bereiche also auch in die Kategorien „Organisierte Gewalt, Terrorismus und neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen“ einteilen.

Jedoch hat sich im Laufe der Zeit weitestgehend der Begriff „Rituelle Gewalt“ in der Literatur, in Fachkreisen und unter Betroffenen durchgesetzt, so dass ich mich dem anschliesse. So wird also in der Regel von „Ritueller Gewalt“ gesprochen und man ordnet Sekten, (satanische) Kulte und weitere (u.a. religiöse) Gruppierungen hierunter ein.

Gerade auch in den letzten Jahren hat zu dieser Thematik scheinbar ein Umdenken stattgefunden, so dass über Definitionen, Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen dieser Gewaltbereiche ausführlicher diskutiert wurde. So zeichnete sich z.B. eine Entwicklung ab, bei der immer mehr über die Überschneidungen dieser Gewaltbereiche gesprochen wird und dies zeigt sich auch an der Begriffsentwicklung ab. So wird vermehrt nicht nur von „Ritueller Gewalt“ sondern von „Organisierter Ritueller Gewalt“ gesprochen, um deutlich zu machen, dass es hier Überschneidungen gibt.

Doch auch unter den Fachperson herrscht keine Einigkeit über Zuordnungen und Begriffsbestimmungen. So kommt es z.B. immer wieder vor, dass die Rituelle Gewalt dem Organisierten Verbrechen zugeordnet wird (wie z.B. in der Definition von Ritueller Gewalt bei Wikipedia). Doch dies hat noch keinen Einzug genommen in die offizielle Einteilung der Bereiche. Die Abgrenzung von Organisierter Gewalt, von Terrorismus und (Organisierter) Ritueller Gewalt blieb bis jetzt erhalten.

Mein Versuch dieser Einordnung und meiner (grafischen) Darstellung soll ein Versuch sein, diese komplexe Thematik einmal vereinfacht darzustellen, in der Hoffnung dem Leser eine kleine Idee davon zu geben, wie das „kriminelle Verbrechen“ aufgebaut sein könnte und aus welchen Bereichen/ Gruppierungen man z.B. aussteigen kann. Dies alles wird von einem Blickwinkel betrachtet und müsste (z.B. von einem juristischen, einem psychologischen, soziologischen, sozial- politischen… Standpunkt ebenfalls beleuchtet werden, um ein genaueres Gesamtbild zu erhalten. Auch werden hier nur einige Gruppierungen aufgezeigt, und so müssten im Prinzip die Hauptaspekte/ Besonderheiten aus jeder Gruppierung sowie die Blickwinkel unterschiedlicher Gruppenmitglieder mit den verschiedenen Postitionen und Aufgaben, die es in solchen Gruppierungen gibt, hinzugefügt werden, um so möglichst ein vollständiges Bild erhalten zu können.

Schliesslich gibt es nicht nur Überschneidungen und Gemeinsamkeiten dieser Bereiche, sondern auch Unterschiede, Besonderheiten und Abgrenzungen. Dies alles müsste mit berücksichtigt werden bei dem Versuch den Aufbau des gesamten kriminellen Systems zu definieren, darzustellen und zu verstehen.

Es geht hier also nur um einen kleinen Ausschnitt eines „grossen Ganzen“, das betrachtet und reflektiert werden muss.

 

Die Gruppierungen

Wie oben erwähnt, sind nun mehrere Gruppierungen diesen Hauptbereichen zuzuordnen.

Hier ein kleiner Überblick, anhand ausgewählter Beispiele.

Hauptber.GruppenDiese Angaben sind entnommen aus Artikeln von Wikipedia (Organisierte Gewalt und Terrorismus) sowie der Internetseite der Beratungsstelle Dornrose (Rituelle Gewalt).

 

Für Betroffene:

Hast Du anhand dieser Beispiele schon eine Idee, woraus Du aussteigen müsstest?

Gibt es Erinnerungen/ Erinnerungsfetzen zu Erlebnissen, die zu einem oder zu mehreren Beispielen passen würden?

Was würdest Du Dir jetzt wünschen, um weiterzukommen und Dich verstanden zu fühlen?

Für Helfer/ Interessierte:

Sind Sie ausreichend über diese Gruppierungen informiert?
Wissen Sie, wo Sie weitere Informationen erhalten können?

Haben Sie derzeit Kontakt zu einer Betroffenen?
Aus welchem Bereich würden Sie vermuten, steigt diese Person aus?

 

Zwei Informationen, die mir hierzu wichtig sind:

1.Es gibt Überschneidungen dieser Gewaltbereiche

2.Man kann aus mehreren Gewaltbereichen gleichzeitig aussteigen

 

1. Es gibt Überschneidungen dieser Gewaltbereiche

Hierzu ein Zitat aus dem Buch „Wege der Traumabehandlung“ (Teil 2) von
Michaela Huber: „KollegInnen haben sich auf Kongressen und speziellen
Tagungen in den letzten Jahren dazu ausgetauscht, dass es
anscheindend Überschneidungen gibt zwischen rechtsradikalen
Gruppen, destruktiven Kulten (z.B. Hardcore- Satanisten) und der
(Kinder-) Pornografie- und -Prostitutionsszene.“

(Michaela Huber, Wege der Traumabehandlung: Trauma und Traumabehandlung, Teil 2,
2. Aufl. (Paderborn: Junfermann, 2004), 162.)

 

Hauptber.Vernetzung
Hierzu einige Beispiele:


 

Hinweis für Betroffene:
Diese Beispiele könnten evtl. bei Dir etwas Unangenehmes auslösen. Wenn Du magst, kannst Du die Beispiele überspringen und dann weiterlesen, aber das ist bei jedem verschieden und das muss jeder selbst entscheiden.


 

Zwangsprostitution und Drogenhandel

Im Rahmen der Zwangsprostitution werden Drogen eingesetzt. Möchte ein Opfer aus der Zwangsprostitution aussteigen, bedeutet dies in der Regel, dass sie ebenfalls einen Drogenentzug hinter sich bringen muss und sollte daher sowohl bei einem Entzug unterstützt, als auch vor Personen aus dem Prostitutionsmilieu geschützt werden.

Helfer sollten hier also Wissen zu dem Bereich „Zwangsprostitution“ (Zuhälter, Freier, Methoden der Täter…) haben und zu dem Bereich „Drogen/Drogenhandel“ (Einsatz und Wirkung von Drogen, Einfluss von Dealern und Drogengeschäften).

Kinderpornografie und Zwangsprostitution

Ein Mädchen wird als Minderjährige im Rahmen der Kinderpornografie sexuell ausgebeutet. Das Mädchen wächst heran, bleibt aber weiterhin Opfer. Die Täter merken, dass sie auch jetzt noch mit dem Körper des heranwachsenden Mädchens Geld verdienen können und beginnen sie nun in der Zwangsprostitution auszubeuten, bis ins Erwachsenenalter hinein.

Sexuelle Ausbeutung von Kindern und Frauen im Rahmen der Kinderpronografie und der Zwangsprostitution – und die Sexuelle Ausbeutung dieser Opfer durch rituelle Gewaltgruppierungen

Kinder und Frauen werden von einem Kinderpornoring bzw. durch Zwangsprostitution sexuell ausgebeutet und über diese erzwungenen sexuellen Dienstleistungen wird viel Geld erwirtschaftet. Es werden Termine mit Freiern, mit Zuhältern und weiteren Geschäftsparntern vereinbart, wo diese Opfer für eine gewisse Zeit den jeweiligen Kunden zur Verfügung stehen müssen. Nun soll es eine rituelle Orgie geben, bei der auch sexuelle Handlungen üblich sind. Eben diese Kinder und Frauen (Opfer aus der Kinderpornografie, Zwangsprostitution) werden also zu diesem rituellen Gruppentreffen (Orgie) gebracht. Während der rituellen Orgie werden diese Kinder und Frauen von Kultmitgliedern sexuell missbraucht. Die sexuelle Ausbeutung kann hier entweder am Rande stehen und das (z.B. satanische) Ritual im Vordergrund, oder aber es kann auch zu gleichen Teilen miteinander verwoben sein. Nach diesem rituellen Gruppentreffen landen die Opfer wiederum in den Ausgangsbereichen und werden weiterhin dort missbraucht.

Entführungen und satanische Rituale

„Das Bild, das sich die Gesellschaft eines Entführers von Frauen oder Kindern
auf der Grundlage dessen, was in den Medien gezeigt wird, gemacht hat, ist ein männlicher Alleintäter, doch auch Sektengruppen entführen Opfer.“

(Alison Miller, Jenseits des Vorstellbaren: Therapie bei Ritueller Gewalt und Mind- Control, Johanna Ellsworth (Kröning: Asanger Verlag, 2014), 283.)

Bei einigen satanischen Ritualen werden Menschen getötet. Dies beinhaltet, dass Satanisten zunächst Menschen benötigen, die sie dann später im Zuge eines Rituals töten können. Es gibt verschiedene Wege, wie Satanisten an ihre Opfer gelangen. Ein Mittel sind Entführungen. Nicht jedesmal, wenn eine Person entführt wird, hat dies einen Zusammenhang mit einer satanischen Gruppierung. Nicht jede Person, die verschwindet, wird zum Mordopfer. Doch leider kommt es immer wieder vor, dass Menschen plötzlich spurlos verschwinden und nie wieder auftauchen. Und manchmal liegt das daran, dass eine vermisste Person von satanischen Gruppenmitgliedern entführt und anschliessend in einem Ritual getötet wurde.

(Mit diesem Beispiel möchte ich den Lesern keine Angst machen oder allgemeine Besorgnis oder „Panikmache“ auslösen. Nein, keinesfalls. Doch über verschiedenste Berichte von Aussteigern aus diesem Bereich kann ich sicher sagen, dass es in einigen Fällen einen Zusammenhang zwischen Entführungen und satanischen Ritualen gibt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist (soweit mir bekannt) leider weder die Forschung noch die Justiz so weit, um hier konkretere Fakten zu liefern. Doch ich halte es für äusserst wichtig, diesen Punkt zu benennen und dies zumindest im Hinterkopf zu behalten, doch besser wäre es dem nachdrücklich nachzugehen, Beobachtungen/ Auffälligkeiten der Polizei zu melden und möglichst die Täterstrategien hierzu zu erkennen und offenzulegen, um dadurch Menschen besser warnen und schützen zu können.)

 

2. Man kann aus mehreren Gewaltbereichen gleichzeitig aussteigen

„Es gibt einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen Kinderpornographie und Prostitution sowie Drogen- und Waffenhandel. Nicht selten werden die kindlichen
Opfer zu Drogen- oder Waffenkurieren, manche sogar zu Killern „abgerichtet“ […]
(S.73)

„Und wenn das Mädchen erst einmal – oft schon in jungem Alter – ins Rotlichtmilieu aufgenommen wurde, kommt es oft genug vor, daß es willig Drogen schmuggelt (niemand schöpft Verdacht bei einem Kind) oder für Waffendealer Kurierdienste leistet. Und ist es nicht willig, so wird es gezwungen, meist durch Erpressung („Du willst doch nicht, daß deiner Schwester was pasiert?“ – „Soll ich den Bullen mal eins von deinen Videos rüberschicken?“ – „Und wenn ich dir keinen Stoff mehr mitbringe…?“, durch physische Gewalt […]“
(S.76)

(Michaela Huber, Multiple Persönlichkeiten: Überlebende extremer Gewalt, 9. Aufl. (Franfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2004), 73 u. 76.)

 

Warum sage ich, dass man aus mehreren Gewaltbereichen, ja sogar aus mehreren Gruppierungen gleichzeitig aussteigen kann?

 

Zum Einen ergibt sich dies über solche Überschneidungen von Bereichen und Gruppierungen, die in der Praxis auf vielerlei Wegen aufzufinden sind.

Solche Gruppierungen arbeiten sehr stark vernetzend, so dass man viele Aspekte unmöglich voneinander trennen kann, wie z.B. Drogenhandel und Zwangsprostitution.

Manchmal gibt es mehr Erfahrungen in dem einen Bereich bzw. eine (zeitliche) Übergewichtung oder Schwerpunkte, so dass eine Person vielleicht hauptsächlich aus der Zwangsprostitution aussteigt, doch auch innerhalb einer Sekte ausgebeutet wurde. Hier wäre dann der Teil „Sekte“ ein Nebenbereich und die Zwangsprostitution der Hauptbereich, aus dem z.B. eine Frau aussteigen würde. Um dieser Frau also Ausstiegshilfen anbieten zu können, bräuchte ein Helfer im Schwerpunkt Wissen über den Ausstieg aus der Zwangsprostitution und gleichzeitig wäre es gut, ebenfalls etwas über die Verwicklung zu dieser Sekte zu wissen.

Zum Anderen ergibt sich diese Aussage aus dem Aufbau und der Organisation solcher Gewaltstrukturen. In den einzelnen Gruppierungen gibt es eine Hierarchie, innerhalb derer jedes Gruppenmitglied eine Aufgabe hat. So hat ein Zuhälter andere Aufgaben als ein Bordell- Besitzer oder ein Drogendealer.

Damit die Vernetzung der unterschiedlichen Gewaltbereiche gut funktionieren kann, gibt es Personen, die ganz gezielt an diesen Schnittstellen arbeiten und Kontakt/ Kommunikation zu wichtigen Personen aus den einzelnen Gruppierungen halten. Sie nehmen sehr stark organisatorische Aufgaben wahr und werden von mir im Folgenden „Organisatoren“ genannt. (Diese Bezeichnung entstammt u.a. dem Austausch mit einer Fachperson zu diesem Thema.)

Diese Organisatoren können z.B. sowohl Mitglied der einen, als auch der anderen Gruppierung sein. Das hat mehrere Vorteile, denn der Organisator weiss gut über beide Gruppen bescheid, er kennt die Abläufe, weiss um die Stärken und Schwächen und kann Angebot und Nachfrage über dieses Wissen gut steuern.

Nehmen wir hier mal das Beispiel Drogenhändler und Menschenhändler:
Eine Person handelt mit Drogen und versorgt über die Drogengeschäfte mehrere Bordelle. Diese Person hat einen Komplizen, der gemeinsam mit weiteren Personen von Zeit zu Zeit die Schleusung von Frauen durchführt. Nun geht der Organisator in seiner Funktion des Drogenhändlers zu seinem Kollegen ins Bordell, um ihm etwas von den Drogen zu verkaufen. Dort erfährt er von dem Bordellbesitzer, dass die Nachfrage an afrikanischen Frauen steigt und er signalisiert, dass er Nachschub an Frauen braucht. Der Organisator sagt, dass er sich drum kümmert (natürlich wird zu gegebenem Zeitpunkt eine entsprechende (finanzielle) Gegenleistung vereinbart) und verlässt das Bordell.

Nun nimmt der Organisator Kontakt zu seinem Komplizen aus dem Menschenhandel auf, erzählt ihm von seinem Besuch im Bordell und fragt, ob „sie“ (also die Gruppierung aus dem Bereich Menschenhandel/ Schleusung) den Auftrag übernehmen wollen. Der Menschenhändler befürwortet dies und so wird eine Schleusung vorbereitet und durchgeführt (sprich: Ein weiteres Geschäft wird erfolgreich abgewickelt. Das Problem „grosse Nachfrage bei mangelnder Ware“ wurde gelöst, indem „Nachschub“ besorgt wurde. Die Gruppierung Menschenhandel/ Schleusung hat von dem Geschäft ebenso profitiert, wie der Bordellbetreiber. Die Kunden sind zufrieden und die Geschäfte gehen weiter. Gleichzeitig hat sich das Arbeitsbündnis zwischen dem Bordellbesitzer und dem Organisator/Drogenhändler bewährt und die Komplizenschaft zwischen dem Organisator und dem Menschenhändler vertieft. Alles in allem also ein gutes Geschäft, eine erfolgreiche Strategie, die gerade deswegen so gut umsetzbar ist, weil die Arbeit auch an den Schnittstellen der kriminellen Bereiche so raffiniert und sorgfältig – geplant abläuft).

Es gibt also Personen (hier Organisatoren genannt), die ganz bewusst diese Vernetzung stärken und steuern, die an diese Schnittstellen gehen und dafür sorgen, dass die unterschiedlichen Abläufe reibungslos funktionieren und solche Gruppierungen erfolgreich miteinander vernetzt werden, so dass die Schwächen kaschiert und die jeweiligen Stärken zum Tragen kommen.

Durch den Einsatz von mehreren Organisatoren wird ein gut strukturiertes und enges Netz gewebt, das so geschickt agiert, dass daraus viele Möglichkeiten entstehen, wie sich kriminelle Verbrecher gegenseitig decken und unterstützen können.

Deshalb ist es so wichtig mehr über die Strukturen, die Abläufe und die Methoden solcher Verbrecherbanden/ Täternetzwerke oder dieser gewaltvollen Systeme zu erfahren. Die Erkenntnis dessen hilft bei der Entwicklung zu Präventionsmassnahmen, und das Verständnis der Bedeutung für die Opfer, die sowohl Erfahrungen in dem einen, als auch in dem anderen Bereich machen mussten, dient der Genesung der Betroffenen.

Und aus eben diesen Gründen halte ich es für wichtig an dieser Stelle zu sagen:

ja, man kann tatsächlich aus mehreren Gewaltbereichen bzw. Gruppierungen aussteigen.

Wer meine Seiten bis hierher aufmerksam verfolgt hat, dem ist sicherlich aufgefallen, dass ich bereits erwähnte, dass ich selbst sowohl aus der organisierten UND aus der rituellen Gewalt ausgestiegen bin. Mein Beispiel soll gerne mithelfen dies besser zu verstehen und bekannter zu machen, denn viele wissen hiervon nichts, weil dies eben weitestgehend verdeckt abläuft und noch nicht allzu viel darüber geredet wurde. Doch ich bin nur ein Beispiel. Es gibt viele andere Aussteiger, die ebenso aus mehreren Gewaltbereichen aussteigen und hierzu Wissen haben, aber auch leider viel Schlimmes erlitten haben.

Was bedeutet das für einen Ausstieg?

Warum ist es wichtig, das zu wissen?

 

Hierüber bescheid zu wissen, ist sowohl für Betroffene als auch für Helfer gut.

Wenn ein Helfer mit einem Aussteiger spricht und fragt, woraus er aussteigen möchte, durch welche Gruppe er/sie Gewalt erlebt hat, und dann im ersten Gespräch evtl. von sexuellen Übergriffen durch einen Zuhälter die Rede ist, und im zweiten Gespräch dann von Aktivitäten eines Drogenrings berichtet wird, dann sind Helfer mit wenig Wissen über die gut organisierte Vernetzung schnell irritiert und streben eher ein Entweder- Oder an.

Ein Bericht von Gewalterlebnissen aus zwei Gruppierungen sorgt hier also für Verwirrung auf Seite des Helfers. Wenn der Helfer an dieser Stelle nicht bereit ist dem Nachzugehen und evtl. auch Umzudenken (von einem Entweder- Oder zu einem Sowohl- Als auch), so wird er sich höchstwahrscheinlich auf eine Gruppierung konzentrieren. Doch einen Bereich auszuklammern ist auf lange Sicht meines Erachtens keine sinnvolle Ausstiegshilfe. Erstmal zu erfragen, zu welchen Bereichen es evtl. Erlebnisse gibt oder sich zunächst einen Schwerpunkt auszuwählen und eins nach dem anderen „abzuarbeiten“ wäre hier effektiver. So möchte ich gerne Interessierte, Berufsanfänger und Helfer einladen, hierüberüber nachzudenken und mit Umsicht und Weitsicht zu handeln.

Wer mit der Ausstiegsbegleitung anfangen möchte, der denkt oft: „Ich muss am Anfang abklären, woraus der Betroffene aussteigt.“ Dieser Ansatz ist ja auch schlau. Dennoch möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass nicht zwangsläufig genauestens erörtert werden muss, aus welcher Gruppierung (mit Namensbezeichnung) der Betroffene aussteigt, denn um hier weiterhelfen zu können, genügt oft auch allgemeines Wissen zu den drei Hauptbereichen und den Täterstrategien, da vieles auf alle/ die meisten Gruppen übertragen werden kann. Am Anfang ist es vielen Betroffenen nicht möglich schon klar sagen zu können, woraus genau sie aussteigen und welche konkreten Erlebnisse sie zu welcher Gruppierung hatten – und das aus verschiedenen guten Gründen.

Ich kann verstehen, dass viele Anfänger in diesem Bereich sehr gerne eine klare Einordnung, einen Gruppennamen hätten, doch ich bitte Helfer um Folgendes:

– Bitte haben Sie in dieser Anfangsphase Geduld und bitte drängen Sie Betroffene nicht dazu einen Namen zu nennen.

– Nutzen Sie ihr Wissen um die Überschneidungen dieser Gewaltbereiche, um die Betroffenen mit Informationen zu versorgen, die ihnen helfen, allmählich klarer zu sehen und eine eigene Antwort auf die Frage zu finden: Woraus steige ich eigentlich aus? Was habe ich erlebt? Wie kann ich die Gruppe/ die Täter nennen?

– Denken Sie bitte eher in „Sowohl – als auch“- Kategorien und weniger in „Entweder – Oder“. Möglicherweise empfinden Sie es Anfangs als schwer vorstellbar und emotional schwer aushaltbar, dass eine Person so viel Leid durch unterschiedliche Kriminielle erlebt haben soll. Doch halten Sie dem bitte stand, anstatt den leichteren Weg der Verdrängung, der Verleugnung eines Gewaltbereiches zu wählen. Wenn Sie wirklich effektiv und nachhaltig helfen möchten, wenn Sie Betroffene in ihrem Ausstieg verstehen und begleiten wollen, dann müssen Sie alles miteinbeziehen, was in die Situation des Aussteigers mit hineinspielt. Und dazu gehört auch, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind: Wer aus einer Gruppe aussteigt, steigt aus einer Gruppe aus. Wer Erfahrungen zu mehreren Gruppen hatte, hat eben Gewalt in einem komplexeren Zusammenhang erlebt. Egal, woraus jemand aussteigen will, egal, wie verstrickt die einzelnen Erlebnisse und Gewaltstrukturen sind: es ist möglich auch aus solchen Zusammenhängen herauszukommen. Bitte vergessen Sie das nicht!!!

– Fragen Sie in gewissen Abständen einfach nochmal nach, ob zu der Gruppierung/ den Gruppierungen inzwischen weiteres Wissen vorhanden ist.

– Behalten Sie Ihr Wissen um die Vernetzung und die Überschneidungen aus diesen Gewaltbereichen im Hinterkopf und wenn Sie das Gefühl haben, die Situation lässt dies zu, dann erkundigen Sie sich einfach nach und nach, ob solche Erlebnisse auch bei der Betroffenen vorhanden sind.

– Konzentrieren Sie sich in der Anfangsphase schwerpunktmässig auf den Kontakt- und Beziehungsaufbau mit der Betroffenen, klären Sie gemeinsam die aktuelle Situation ab (wo steht die Betroffene, gibt es mögliche oder tatsächliche Bedrohungen oder Gefahren, welche Ziele können Sie gemeinsam erarbeiten, was hilft jetzt…) und nutzen Sie Ihr allgemeines Wissen über destruktive Systeme um den Betroffenen bei Ihrem Ausstieg zu helfen. Alles weitere wird sich später entwickeln. Für eine gute Ausstiegsbegleitung und Beratung ist es nicht zwangsläufig notwendig alles genauestens zu wissen und einen bestimmten Namen einer Gruppierung zu kennen. Manchmal wäre es leichter bzw. wünschenswert, wenn dieser Name bekannt und die Gruppierung/ der Täter damit greifbarer wird, doch ich möchte herzlich darum bitten, sich hierauf nicht zu versteifen, denn das oberste Ziel ist den Betroffenen jetzt zur Seite zu stehen – und das gelingt auch ohne ein konkreteres Wissen.

 

Wie geht es Betroffenen damit?

Wenn Betroffene anfangen sich an die erlebte Gewalt zu erinnern und darüber auf das Problem der Vernetzung stossen (Missbrauch durch Freier und Missbrauch durch Kultmitglieder), kann das erstmal sehr verwirrend sein. Betroffene fragen sich dann oft: „Spinne ich jetzt? Ich dachte, das wären Freier und jetzt kommt da noch so was mit einem Ritual. Was stimmt denn jetzt?“ Dies kann zu Verwirrung und zu Verunsicherungen führen.

Betroffene versuchen in dieser Phase oftmals herauszufinden, woraus sie überhaupt aussteigen wollen und suchen nach einer Einordnung, nach einem Namen, nach irgendetwas, das ihnen Sicherheit und Bestätigung verschafft.

„Wie soll man das einordnen? Schliesslich ist es üblich in Entweder- Oder – Kategorien zu denken. Kann es denn beides geben? Wurde ich sowohl von einem Kinderschänderring und von Satanisten missbraucht und wie hängt das zusammen? Wenn das stimmt, was ich hier erinnere – wer wird mir das bloss glauben???“.

So folgt eine Frage, eine Unsicherheit und eine Angst auf die Nächste. Es ist nicht leicht sich da durchzuarbeiten und vor allem: „Wo suche ich nach Hilfe, wenn ich noch nicht mal so genau weiss, wie ich das alles nennen soll und woraus ich überhaupt aussteigen will.“

Solche Gedanken können Betroffenen durch den Kopf gehen, doch mit ein paar Informationen kann hier Abhilfe geschaffen werden. Es ist gut zu wissen, dass man auch dann weiter aussteigen kann bzw. mit einem Ausstieg beginnen kann, wenn man auf all‘ diese Fragen keine Antworten hat. Es tut gut zu wissen, dass das vielen Aussteigern am Anfang so geht und sich das Wissen und die Erinnerungen mit der Zeit verdeutlichen, so dass man Klarheit und Namen und Erklärungen hat.

Mittlerweile gibt es glücklicherweise gute Bücher und hilfreiche Internetangebote, so dass sich Betroffene selbst informieren können, wenn sie das möchten und dies zu ihrem eigenen „Erinnerungstempo“ und ihrer aktuellen Situation passt. (Manchmal ist es ja auch ein Schutz, etwas (noch) nicht ganz so genau zu wissen und die Erinnerungen ganz langsam kommen zu lassen. Deshalb ist es wichtig, sich nicht selbst unter Druck zu setzen, wenn man auf eine Erinnerungslücke oder eine Unsicherheit (wie heisst denn nun die Gruppe?) trifft.

Ich möchte Dir gerne sagen: Bleib ruhig. Versuche in aller Ruhe Deine Gedanken zu sortieren. Setz Dich in Deinem Tempo mit Deinen Erinnerungen auseinander und warte ab, was weiter geschieht. Du wirst sehen, dass die Antworten oft tief aus Deinem Inneren kommen und Du oft niemanden von Aussen brauchst, um zu wissen, was Du erlebt hast und wie die Zusammenhänge sind. Verlass Dich auf Dich selbst und trau Deinen Erinnerungen/ Erlebnissen. Und eines Tages wirst Du einen Namen/ mehrere Namen haben. Am allerbesten finde ich, wenn Aussteiger ihre ganz eigenen Anworten auf alle diese Fragen entwickeln. Und vielleicht hast Du ja Lust, auf eine Entdeckungsreise zu gehen und Schritt für Schritt herauszufinden, was Du erlebt hast und Deine ganz individuellen Antworten und Bezeichungen zu finden.)

Und hier und da gibt es Fachpersonen in Beratungsstellen und im Bereich der Psychotherapie sowie weiterer Institutionen, die sich hierzu weitergebildet haben und die um all‘ das wissen. Für Betroffene ist es wünschenswert, dass sie auf solche Personen treffen und mit einer unterstützenden Begleitung ihren Weg fortsetzen können.

Bis es genügend informiertes und ausgebildetes Personal an allen Orten Deutschlands gibt, ist es noch ein langer Weg, aber es ist schön zu wissen, dass bereits vielerlei Hilfreiches gerade auch in den letzten Jahren entstanden ist.

Betroffene müssen also nicht uninformiert und allein bleiben!!!

Wenn Du als Betroffener die Vermutung hast, dass Du durch eine solche Gruppierung bzw. durch mehrere Täter Schlimmes erlitten hast und vielleicht immer noch erlebst, dann bitte trau Dich nach Hilfe zu suchen. Denn es gibt sie! Es gibt Menschen, die sich hiermit auskennen und die Dir hierzu etwas erklären und Dir weiterhelfen können. Bitte informier Dich über Personen und Hilfsangebote in Deiner Nähe. (Hierbei finde ich es schlau, falls Du schon weisst, dass Du Erfahrungen zu mehreren Bereichen/ Gruppen hast, bei der Suche nach einem Helfer auch schon darauf zu achten, ob der Helfer über die Zusammenhänge der kriminellen Bereiche bescheid weiss und ob er sich vorstellen kann, dass man aus mehreren Bereichen gleichzeitig aussteigen kann. Das kann hilfreich sein und das gemeinsame Vorankommen stärken.

Bitte bleib nicht allein und fange an, Dich näher damit zu beschäftigen. Das können mögliche erste Schritte sein, um Dich da herauszubewegen und keine Gewalt mehr erleben zu müssen. Es gibt noch mehr, was Dir helfen kann, aus einer solchen Gruppierung zu entkommen. Einiges findest Du hier auf meiner Website und anderes findest Du auf anderen Internetangeboten bzw. im persönlichen Kontakt mit Menschen, die Dir gerne eine zeitlang zur Seite stehen möchten.

Dieser Weg wird anstrengend sein, doch ich bitte Dich sehr herzlich darum, in Deinem Tempo darüber nachzudenken, was mit Dir passiert, was Du erlebst und wie es funktionieren könnte, da herauszukommen. Du kennst Dein Leben, Deine Situation am allerbesten und Aussteiger haben oft selbst die besten Ideen dazu, was ihnen helfen könnte. Bitte denk darüber nach, sei vorsichtig in Deinem Handeln, triff gute Entscheidungen und pass gut auf Dich auf! Aber bleib nicht allein, sondern hol Dir Hilfe. So hast Du gute Chancen Deinen Ausstieg auch wirklich zu schaffen.

 

Sowohl Betroffenen als auch Helfern möchte ich zum Schluss noch mal sagen:

Ja, das gibt es wirklich! Man kann aus mehr als nur aus einem Gewaltbereich aussteigen!

Diese Aussage möchte ich gerne noch mit einem Zitat unterstreichen, das von einer Fachperson stammt, die über einen längeren Zeitraum in Amerika mit Aussteigern zusammen arbeitete:

„Viele Überlebende haben religiöse und militärisch/ politische Gewalt erlebt.
Auch sollte darauf hingewiesen werden, dass das Filmen solcher Ereignisse
bei beiden Gruppen gängig ist. Das lässt uns vermuten, dass finanzielle Motive vorherrschen, auch wenn es so aussieht, als wären die Motive der Täter
religiöser oder patriotischer Natur.“

(Alison Miller, Jenseits des Vorstellbaren: Therapie bei Ritueller Gewalt und Mind- Control, Johanna Ellsworth (Kröning: Asanger Verlag, 2014), 89.)

 

Sowohl Alison Miller, als auch Michaela Huber – und weitere Fachpersonen – weisen darauf hin, dass solche Gruppierungen „nur“ den Anschein erwecken, dass eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit oder Ideologie ausschlaggebend für deren Ziele, Motive und Handlungen seien.

Wie Tätergruppierungen diesen Anschein nutzen und die Missverständnisse, die daraus oft entstehen, für ihre Zwecke und zu einer gelungenen Vernetzung gebrauchen, ist eine wichtige Fragestellung, um die Täterstrukturen zu durchschauen und dieses Wissen für die Aufklärung und Information von Betroffenen und Helfern, für den Ausstieg und die Ausstiegsbegleitung und für die Schaffung von Präventions- und Hilfsangeboten einzusetzen.

Was bedeutet dies?

Missverständnisse und Täuschungsmannöver am Beispiel Satanismus

Wenn eine örtliche kleine Gruppe einer satanischen Gruppierung zugeordnet wird, sich die Gruppenmitglieder an einem satanischen Feiertagskalender orientieren und demnach satanische Rituale abhalten, bei dem z.B. Frauen und Kinder sexuell missbraucht, und möglicherweise auch entführte Personen getötet werden, dann kann dies bedeuten, dass der Bereich Satanismus hier nur vorgeschoben wird und als „Deckmantel“ dient, um diese schweren Straftaten zu verschleiern.

Stellen wir uns folgendes Beispiel vor: Ein Opfer wird also während eines solchen Rituals sexuell missbraucht und beobachtet dabei auch, wie eine andere Person rituell ermordet wird. Dem Opfer gelingt es anschliessend, den Tätern zu entkommen und geht zur Polizei. Das Opfer wird dazu aufgefordet zu berichten, was passiert ist. Nun kann das Opfer nicht sagen: „Ich habe eine schwere Straftat beobachtet. Ein Mensch wurde (auf die und die Weise) ermordet.“ Sondern das Opfer muss von dem Ablauf des Rituals erzählen währendessen eine Person ermordet wurde und kann diesen Mord nur im Zusammenhang mit den rituellen Handlungen dieser „Satanistengruppe“ schildern.

Was ist die Folge davon?

Ein Bericht über ein Mordgeschehen mit bekanntem Ablauf (Ein Mann zog ein Messer aus der Tasche und stach zu. Das Opfer wurde niedergeschossen. Die Frau wurde erwürgt.) klingt glaubwürdiger und vorstellbarer, als ein Bericht, der sich möglicherweise so anhört:

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Hinweis an Betroffene:
Dieser Bericht kann möglicherweise etwas Unangenehmes auslösen. Du kannst diesen Bericht gerne auch überspringen. Wenn Du weiterliest, achte bitte gut auf Dich.
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„Die Kultmitglieder trugen schwarze Kutten und sangen Lieder, in denen Satan verherrlicht wurde. Dann wurden Frauen und Kinder sexuell missbraucht, während im Hintergrund noch die satanische Musik lief. Während ich sexuell missbraucht wurde, kam ein Mann zu uns in den Raum und zerrte eine weitere Person mit sich. Diese Person wurde mit dem Kopf nach unten an ein Holzkreuz gebunden. Anschliessend wurde diese Person mit einem Dolch durch einen einzigen gezielten Waffenstich ermordet.“

 

Der Mordbericht im Zusammenhang mit einem solchen satanischen Ritual ist für viele Menschen nur schwer vorstellbar und vor allem unbekannt und leider auch schwer beweisbar. Somit bietet der Rahmen „satanisches Ritual“ einen wirksamen Schutz für die Straftat „Mord“. Dieses Wissen machen sich solche Gruppierungen auch gezielt zu nutze, um durch den Anschein von religiösen, satanischen, rechtsradikalen… Motiven von diesen schweren Verbrechen abzulenken.

Solange dies nicht ausführlich besprochen und als (Täuschungs)- Methode von Tätern aufgedeckt wurde, können solche Abläufe nicht aufgearbeitet und unterbunden werden.
Solange es kein ausreichendes Wissen darüber gibt, dass es – auch bei uns in Deutschland im Jahre 2014/2015 – solche Gruppierungen gibt und auf welche Weise Straftaten begangen und vertuscht werden, solange kann es keine ausreichende Täterverfolgung und keinen effektiven Zeugenschutz für Betroffene geben.
Solange solche Gruppierungen und Gruppenmitglieder verharmlost werden, weil Unwissenheit und Missverständnisse mit dafür sorgen, dass Täterstrategien fehlgedeutet und unerkannt bleiben, so lange bleiben die Methoden und Taten dieser Verbrecher geschützt und werden fortgesetzt und die Folge dessen ist leider oftmals, dass den Opfern eine solche oder ähnliche Berichterstattung nicht geglaubt wird.

Doch wir haben es hier mit schweren Straftaten zu tun und ich hoffe, dass es immer mehr Menschen gibt, die bereit für ein Umdenken sind, die damit beginnen, sich in diese Thematik und Zusammenhänge zu vertiefen und die nicht länger bereit sind, sich von solchen Täuschungs- und Ablenkungsmannövern blenden zu lassen.

Ich selbst habe mich schon vor längerer Zeit dazu entschlossen, die Täter aus solchen Gruppierungen weniger ihrer „anscheinenden“ Gruppenzugehörigkeit zu benennen( ich vermeide es in der Regel also von einem Satanisten, oder einem Rechtsradikalen, oder einem Scientologen zu sprechen), sondern beziehe mich in meiner Ausdrucksweise eher auch auf die Straftaten, die diese Täter begehen (ob nun in ein Ritual verkleidet oder aus einem rechtsradikalen Gedankengut heraus: denn Straftat bleibt Straftat und Mord ist Mord – egal, wie der genaue Ablauf war und wie die Tat verheimlicht wird – und eine solche Straftat sollte schlussendlich bestraft werden). So nenne ich Täter in der Regel „Verbrecher“ oder „Schwerverbrecher“, verbinde dies an einigen Stellen mit dem Bereich oder dem Gruppennamen, und mache so deutlich: „Ich kenne die Schwere des Vergehens. Ich finde das nicht gut. Ich lasse mich nicht täuschen. Und ich bin gegen eine Verharmlosung dieser Methoden, gegen das Verhalten der Täter und gegen diese kriminellen Vernetzungen.“

 

Diesen Gedankengang möchte ich mit einem weiteren Zitat aus dem Buch „Wege der Traumabehandlung“ (Teil 2) abschliessen:

„Im Bereich rituelle Gewalt haben wir es – bei der organisierten Ausbeutung
von Kindern und Frauen – mit Schwerstverbrechern der organisierten
Kriminalität zu tun. Hier gilt der Satz der Mafia: „Du kannst unserer Vereinigung nicht beitreten…“ (sondern gehörst ihr von Geburt aus an, wirst auserwählt etc.), „daher kannst du auch nicht austreten“ (bevor du stirbst).
Ausschließlich psychische Veränderungen in den Opfern und Überlebenden
werden das Verhalten der Täter in diesem Kriminalitätsbereich nicht beeinflussen.“

(Michaela Huber, Wege der Traumabehandlung: Trauma und Traumabehandlung, Teil 2,
2.Aufl. (Paderborn: Junfermann, 2004), 175.)

Ich würde mir sehr wünschen, dass wir mehr und mehr ein gesellschaftliches Umdenken erleben, dass Täterstrategien offengelgt werden, dass Menschen informiert werden und wir aus diesem Wissen und der Auseinandersetzung damit Präventionsmassnahmen, Hilfsangebote und Gesetzesänderungen entstehen lassen können.

Allen, die sich mit dieser Thematik nun weiter beschäftigen wollen, wünsche ich einen langen Atem, einen erfolgreichen Austausch und eine anregende und gewinnbringende Vertiefung.

Und allen Aussteigern wünsche ich sehr, dass ihr auf Menschen trefft, die euch glauben, weil sie informiert sind und wissen, dass „es das gibt“ und die bereit sind, ein Stück des Weges mit euch zu gehen. Nicht mehr allein zu sein und auf jemanden zu treffen, der sich auskennt, habe ich selbst als sehr entlastend und hilfreich erlebt. Und das wünsche Dir: dass Du vorankommst und nicht mehr ganz alleine bist!!!

Euch allen Alles Gute!!!

Vanessa Lehmann, Oktober 2014
www.mut-zum-ausstieg.de

veröffentlicht am 23.01.2015

Nachtrag vom 23.01.2015

Anfang Januar 2015 ging das Thema „Vernetzung der kriminellen Bereiche“, hier:
die Vernetzung von Organisierter Kriminalität und Terrorismus am Beispiel der IS/ISIS
durch die Medien.

Ein Interview einer amerikanischen Terrorismusexpertin sorgte für Diskussionen.

Zwei Punkte haben mir sehr gut gefallen:

Die Terrorismusexpertin Louise Shelley gab zum Einen an, dass die Finanzierung der Terrororganisation IS/ISIS aus verschiedenen Quellen der kriminellen Bereiche fliesst, wodurch der Einfluss/ die Wechselwirkung und die Vernetzung dieser kriminellen Strukturen auch aktuell deutlich wird und zum Nachdenken anregt.

Zum Anderen warf Louise Shelley die Frage auf, wie es kommt, dass in Deutschland zu diesen Sachverhalten so wenig geforscht wird???

Wie schön, dass dieses Versäumnis auch von ausländischen Beobachtern bemerkt und wir darauf hingewiesen wurden!!!

Aus welchen Gründen fällt es uns hier in Deutschland so schwer, über die kriminellen Strukturen und Verbrecher- Netzwerke zu reden und dies mehr in den Fokus zu nehmen?

Darf sich das jetzt ändern???

Frau Shelley machte ebenfalls darauf aufmerksam, dass Deutschland für einige kriminelle Handlungen ein „Umschlagplatz“, eine Anlaufstation sei und es bedenklich wäre, wenn allein aus diesem Grund hier in Deutschland dieser Problemlage nicht oder nur am Rande nachgegangen würde.

Und hier der Link zu einem Interview mit Louise Shelley

http://web.de/magazine/politik/terror-islamischen-staat-gutes-geschaeft-30337922

 

Literaturangaben

Literatur

Huber, Michaela. Wege der Traumabehandlung: Trauma und Traumabehandlung, Teil 2.
2. Aufl. Paderborn: Junfermann, 2004.

Huber, Michaela. Multiple Persönlichkeiten: Überlebende extremer Gewalt, 9. Aufl. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2004.

Miller, Alison. Jenseits des Vorstellbaren: Therapie bei Ritueller Gewalt und Mind- Control, Johanna Ellsworth. Kröning: Asanger Verlag, 2014.

Links

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Organisierte_Kriminalität

http://www.recht-niedersachsen.de/21021/4208,s4,84,p23,23,12334,4.htm

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/109/1310950.pdf

http://www.agpf.de/Enquete-Kommission.htm

http://de.wikipedia.org/wiki/Terroristische_Vereinigung

http://www.dornrose.de/index.php?option=com_content&view=article&id=13&Itemid=5#Definition